[Audio] Am Ende dieser Lerneinheit sollten Sie wissen, was unter dem Begriff Anwendungssoftware verstanden wird und was diese von sogenannter Systemsoftware unterscheidet. Außerdem wird der Unterschied zwischen Individual- und Standardsoftware erklärt und wir fassen kurz zusammen, welche Arten betrieblicher Anwendungssysteme es gibt. Dadurch soll eine grundlegendes Verständnis der Softwaresysteme vermittelt werden, mit denen wir uns in diesem Themengebiet befassen. Mehr Material zu „betrieblichen Anwendungssystemen" finden Sie im Themengebiet „Betriebliche Anwendungssysteme". Unser Themengebiet, die „Auswahl und Einführung betrieblicher Anwendungssysteme" befasst sich weniger mit Eigenschaften der Systeme und Software, sondern mit Abläufen und Methoden die im Ergebnis dazu führen sollen, dass die Software in Unternehmen oder Behörden erfolgreich eingesetzt wird. Dabei folgen die ersten Lerneinheiten des Themengebiets dem chronologischen Ablauf von sogenannten Auswahl und Einführungsprojekten. Bevor wir aber die Vorgehensweisen im einzelnen genauer betrachten, schauen wir in dieser Lerneinheit auf den Anfang solcher Vorhaben und lernen, aus welchem Anlass neue Standardsoftware ausgewählt wird. Wir erläutern, dass Auswahl und Einführung als soziotechnische Prozesse verstanden werden sollten, bei denen sowohl technische als auch organisatorische Herausforderungen bewältigt werden müssen und führen die Akteure ein, die daran mitwirken. Um Sie schon früh für relevante Interessen und teilweise widersprüchliche Ziele der verschiedenen Parteien zu sensibilisieren, zeigen wir an einigen Beispielen, welche Konflikte es zwischen den Zielen von Anwendern und Softwareanbietern gibt. Abschließend wird zusammengefasst, welche Bedeutung die Auswahl betrieblicher Anwendungssoftware in Unternehmen hat..
[Audio] Ein betriebliches Anwendungssystem ist ein technisches System. Es besteht aus Software, Hardware, Daten und einer Vielzahl von Konfigurationen und Einstellungen. Benutzer innen verstehen wir beispielsweise nicht als Teil des betrieblichen Anwendungssystems, ihr Benutzer*innenkonto, das vom Anwendungssystem in bestimmten Datenstrukturen verwaltet wird und über Berechtigungen mit Objekten und Datensätzen verbunden sein kann, hingegen schon. Betriebliche Anwendungssysteme unterstützen und automatisieren Teile des betrieblichen Informationssystems, also die Erfassung, Speicherung, Verarbeitung, Auswertung und den Austausch von Daten im Rahmen von Geschäftsprozessen und die Erfüllung von Arbeitsaufgaben, die Zusammenarbeit und die Kommunikation. Eine ausführlicherer Herleitung der Definition, weitere Differenzierungen und viele Beispiele betrieblicher Anwendungssystem finden Sie auch in der ersten Lektion des Kurses zu „Grundlagen betrieblicher Anwendungssysteme"..
[Audio] Auf jedem Rechnersystem sei es ein Smartphone, ein Notebook oder Tablet, ein Arbeitsplatz-Computer oder ein Server, laufen viele parallele Programme. Welche davon sind Anwendungssoftware? Wir beginnen mit zwei Definitionen: Als Anwendungssoftware werden in dieser und den folgenden Lektionen Programme bezeichnet, die von Benutzer*innen in den Fachabteilungen zur Erfüllung ihrer betrieblichen Aufgaben genutzt werden. Dementsprechend muss die Software über eine bedienungsfreundliche Benutzungsschnittstelle verfügen. Hiermit werden Geschäftsprozesse bearbeitet und verschiedene Arten betrieblicher Aufgaben vollzogen oder unterstützt. In diesem Kurs stehen die Anwendungssysteme, die auf einer Anwendungssoftware basieren im Vordergrund. Von der Anwendungssoftware zu unterscheiden ist nach Abts und Mülder die sogenannte „Systemsoftware". Diese wird von den Benutzer*innen in den Fachabteilungen meist weniger wahrgenommen, weil sie im Hintergrund arbeitet. Systemsoftware dient zum Beispiel dazu das lokale Netzwerk eines Unternehmen zu verwalten oder zu sichern, Daten und Dokumente zu verwalten oder diese zu archivieren. Diese Art von Software wird in der Regel von IT-Expert*innen bedient, manchmal ohne grafische Bedienungsoberfläche sondern über Kommandos oder Befehlsskripte. In einer modernen IT-Infrastruktur bauen die Anwendungssysteme auf die Dienste der Systemsoftware auf, indem sie diese zum Beispiel für Berechtigungsprüfungen verwenden oder zur Verwaltung von Datenbanktabellen. Auch die Virtualisierung von Hardwareressourcen gehört zu den Aufgabenbereichen der Systemsoftware..
[Audio] Als nächstes wollen wir die beiden Gruppen von Anwendungssoftware genauer untersuchen. Prozessorientierte Anwendungssoftware unterstützt meist arbeitsteilige Abläufe in bestimmten Geschäftsprozessen wie dem Einkauf, dem Kundendienst oder dem Vertrieb, aber auch der Personalverwaltung oder im Finanz- und Rechnungswesen. Anwendungssysteme mit einem zugrundeliegenden konfigurierbaren Prozessmodell sind aber auch in der Produktentwicklung, Fertigung, bei der Wartung von Anlagen, der Logistik und in vielen anderen Geschäftsbereichen anzutreffen. Eine Besonderheit Prozessorientierter Anwendungssoftware ist, dass dieser Art von Software wesentliche Objekte und Abläufe eines Geschäftsbereichs bereits eingeschrieben oder vorkonfiguriert sind. Die Software ist also auf bestimmte Prozesse spezialisiert. Ebenfalls als Anwendungssoftware werden auch Softwaresysteme bezeichnet, die in allen Branchen und an fast jedem Arbeitsplatz flexibel in verschiedenen Geschäftsprozessen eingesetzt werden. Diese Art von Software dient der Steigerung der Produktivität bei der Kommunikation, der Terminverwaltung, dem Erstellen und Verwalten von Dokumenten, der Vorbereitung und Durchführung von Arbeitstreffen, oder allgemein der Zusammenarbeit der Mitarbeiter*innen. Um auszudrücken, dass solche Software nicht nur in einem bestimmten Prozess oder einer bestimmten Abteilung eines Unternehmens eingesetzt werden, nennen wir sie „Aufgabenorientierte Anwendungssoftware". Manche betrieblichen Anwendungssysteme sind nicht ganz eindeutig zuzuordnen. Zum Beispiel können sogenannte Workflow Plattformen, wie ServiceNow, einerseits dazu eingesetzt werden, Geschäftsvorgänge zu unterstützen und zu automatisieren, aber gleichzeitig ist dieser Dienst zum Beispiel so flexibel einsetzbar und konfigurierbar, dass er in nahezu jeder Abteilung und für sehr viele Geschäftsprozesse angewendet werden kann. Zum anderen gibt es besonders „mächtige" Anwendungssoftware, die gleichzeitig viele Geschäftsprozesse und Abteilungen unterstützen kann. Diese Art von Anwendungssystem können wir uns als Kombination mehrerer prozessorientierter Anwendungssoftwaren vorstellen. ERP Systeme, wie sie von SAP oder Oracle hergestellt und vertrieben werden, fallen in diese Kategorie..
[Audio] Die Software, auf deren Grundlage eine Anwendung realisiert wird, kann auf verschiedenen Wegen beschafft werden, entweder durch den Kauf einer Lizenz für eine Standardsoftware oder durch die Erstellung einer Individualsoftware. Wir nennen diese beiden Alternativen [pause x-weak] „Buy" [pause weak] (Erwerb oder Abonnement von Nutzungsrechten eines bestehenden Programmpakets) oder [pause x-weak] „Make" [pause x-weak] (Entwicklung von Individualsoftware). Wir merken uns aber, dass es auch Mischformen gibt, bei denen in der Anwendung Standardprogramme mit selbst entwickeltem Code kombiniert werden. Das Lehrbuch von Abts und Mülder liefert eine klare Unterscheidung von Standardsoftware und Individualsoftware, die wir in diesem Kurs übernehmen: Unter Standardsoftware verstehen die Autoren „vorgefertigte Programmpakete, die zum Kauf angeboten werden und einen eindeutig definierten Anwendungsbereich unterstützen. Sie können von mehreren bzw. vielen Unternehmen für vergleichbare Problemstellungen genutzt werden." Bei Standardsoftware müssen also fachliche und technische Anforderungen mehrerer, im Einzelnen noch nicht bekannter Anwender berücksichtigt werden. Entsprechend liefert die Standardsoftware Funktionen, die vielfach vielleicht sogar in allen Unternehmen benötigt werden. Als Individualsoftware bezeichnen wir dagegen in Übereinstimmung mit den Lehrbuchautoren Software, „die für ein einzelnes Unternehmen bzw. eine spezialisierte Aufgabenstellung entwickelt" wird. Individualsoftware wird beispielsweise hergestellt, wenn es kein passendes Standardsoftware Angebot gibt oder wenn die Entwicklung einen strategischen Vorteil gegenüber Konkurrenten verspricht. Die Individualsoftware kann vom Anwender selbst entwickelt werden oder von einem externen IT-Unternehmen..
[Audio] Welche Aspekte spielen bei der Entscheidung zwischen dem Kauf einer Standardsoftware oder der Entwicklung einer Individualsoftware wohl eine Rolle. Ein wichtiger Aspekte für Unternehmen aber auch für öffentliche Auftraggeber sind dabei natürlich die Kosten. Bei Standardsoftware werden die Entwicklungskosten von mehreren Käufern getragen. Daher kann Standardsoftware günstiger sein als Selbstentwickelte. Aber das ist natürlich nicht immer der Fall. Ein weitere Aspekt, der für die Beschaffung einer fertigen Software sprechen kann ist die Zeitersparnis. Die Auswahl und Einführung eines Standardprogramms kann im Allgemeinen schneller als eine Neuentwicklung vollzogen werden, aber auch hier gibt es Ausnahmen. Denn je nachdem wie lange der Auswahlprozess dauert oder wie viele Anpassungen und Erweiterungen an der Standardsoftware vorgenommen werden müssen, bis sie die Anforderungen ausreichend erfüllt, kann auch dieser Prozess lange Zeit in Anspruch nehmen. Wenn das Unternehmen selbst gar nicht genug Entwickler*innen beschäftigt, um die Software selbst zu erstellen, könnten externe Dienstleister die Individualentwicklung im Auftrag erledigen oder zumindest unterstützen. Manchmal sind die Personalengpässe aber auch auf diesem Weg nicht auszuräumen, was die Entscheidung zu einer Standardanwendung begünstigt. Wenn die zukünftige Verfügbarkeit von Entwickler*innen ein Risiko darstellt, kann dies auch für den Erwerb einer vorhandenen Lösung sprechen. Denn der Softwarehersteller kümmert sich in der Regel auch um die Softwarepflege und -weiterentwicklung, so dass die Nutzbarkeit der Anwendung in Zukunft gesichert ist. Sie haben nun einige Aspekte kennengelernt, die bei der Entscheidung zwischen einer Standardsoftware oder einer Individualentwicklung eine Rolle spielen. Überlegen Sie, welche weiteren Aspekte, die auf dieser Folie nicht genannt sind, ihnen noch einfallen, die für eine Standardsoftware sprechen. Können sie sich auch eine Situation vorstellen, in der sie eher für eine Individualentwicklung wären? Um zu überprüfen, ob Sie das Lernziel dieses Abschnitts verstanden haben, beschreiben Sie doch mal eine solche Situation. Nun folgt eine Reflexionsfrage, die wir gemeinsam beantworten wollen: Wann würde man eher zu einer Eigenentwicklung raten und wann zur Anschaffung einer Standardsoftware? [es folgt eine Auswahl von Aspekten, die im Plenum geäußert werden könnten. Einige davon könnten auf der Folie ergänzt werden.] mangelnde Abdeckung (<80%) der Anforderungen durch Standardsoftware zu wenig Flexibilität (mangelnde Konfigurierbarkeit und Anpassbarkeit) zu viele Funktionen, die gar nicht benötigt werden Verletzung rechtlicher Vorgaben durch die Standardsoftware, z.B. Datenschutz zu hohe Kosten Abhängigkeit von Softwarelieferanten vermeiden …. Und welche Aspekte könnten aus ihrer Sicht zusätzlich noch für eine Standardsoftware sprechen? [es folgt eine Auswahl von Aspekten, die im Plenum geäußert werden könnten. Einige davon könnten auf der Folie ergänzt werden.] Skalierbarkeit – Standardsoftware kann unter Umständen besser mit wachsenden Anforderungen des Unternehmens umgehen..